Von wegen alle Gäste wollen Currywurst – 2. Tafelrunde des AHV-Netzwerks

Von wegen alle Gäste wollen Currywurst – 2. Tafelrunde des AHV-Netzwerks

„Mensa global. Eat the world, not the planet”, so ambitioniert klang das Menü der Tafelrunde am Mittwoch, den 9. Juni 2021, zu der der VDOE-Arbeitskreis Versorgung die Kolleg*innen mit dem Schwerpunkt Außer-Haus-Verpflegung zum zweiten Mal eingeladen hatte. Pünktlich zur Mittagszeit nahmen 12 Mitglieder aus dem Netzwerk Außer-Haus-Verpflegung  sowie aus dem Arbeitskreis Versorgung  an der virtuellen Tafel Platz, um dem Referent Philipp Heckmann zuzuhören. Der stellvertretende Abteilungsleiter der Hochschulgastronomie des Studentenwerks Osnabrück verantwortet am Standort sechs Mensen und Cafeterien mit, die insgesamt rund 8.000 Essen pro Tag ausgeben.

 

 

Gastronomisches Konzept des Studentenwerks Osnabrück im Wandel

In seinem Impuls berichtete Heckmann über das neueste gastronomische Konzept des Studentenwerks Osnabrück, in dem sich – Achtung Spoiler – vor allem zwei Dinge, die für den Wandel am Außer-Haus-Marktes der Moderne typisch sind, widerspiegeln: Erstens die stattliche Vielfalt der hohen Ansprüche heutiger Mensagäste an die Speisenqualität, die gästeseitig zudem mit sehr viel mehr Nachdruck eingefordert werden, als man es früher wagte. Zweitens kommt in der Leistung der Hochschulgastronomie wiederum das hohe Engagement der Branche zum Ausdruck, mit dem die „Leuchttürme“ auf diese Herausforderung vor einem wachsenden Wettbewerb reagiert: mit Purpose und einem spezifisch auf ihre Gäste zugeschnittenen, professionellen Konzept, das dank qualifizierter Fachkräfte im Team wie Heckmann glaubhaft und mit gesicherter Qualität realisiert wird.

 

Anlass zur Veränderung war, wie in vielen anderen Betrieben auch, der zunehmende Handlungsdruck. Vor dem Hintergrund stetig steigender Studierendenzahlen, verzeichnete die Hochschulgastronomie seit 2015 kontinuierlich sinkende Umsätze, ausgehend vom Spitzenwert von jährlich über anderthalb Millionen Essen. Um diesen Trend umzukehren, nahm die Hochschulgastronomie bei der Konzeption des neuen Speisenangebotes zuvorderst die Gästewünsche am Standort zur Grundlage, die neben der Gruppe der Studierenden auch aus den Einrichtungen der Standorte Beschäftigten umfasst und sich daher alles andere als einheitlich darstellen. Nichts desto trotz wurde daraus ein Angebot entwickelt das die zahlreichen Wünsche möglichst vieler Gäste am Campus umfassend in sich vereint, wie Heckmann betonte. Erreicht werden sollte damit das ambitionierte Ziel, für Stammgäste attraktiver zu werden bzw. neue Gäste hinzuzugewinnen. Genug Zeit für die Entwicklung und Etablierung des neuen Konzepts bot sich zwangsläufig durch die Stilllegung der Küchen im Shutdown. In der Krise nutzte das Team der Hochschulgastronomie somit die Chance, um die schwierige aber notwendige Aufgabe der Neuausrichtung anzugehen.

 

 

Klimafreundliche Menülinie statt Drei-Komponenten-Menüs

Das neue gastronomische Konzept besteht aus drei klar definierten Menülinien. Besonders stolz ist das Team auf die vegane, klimafreundliche und internationale Menülinie „Mensa Global“. Deren von mediterraner und levantinischer Küche inspirierten Rezepturen sind allesamt Eigenkreationen, die in einem Workshop partizipativ vom Team entwickelt wurden. Der große Vorteil dieser auf kulturelle Diversität ausgerichteten Philosophie sei laut Heckmann „dass hier ganz traditionell viele Gerichte bereits zu 100 % pflanzlich sind“.  Statt der üblichen Drei-Komponenten-Menüs mit hoch verarbeiteten Ersatzprodukten locken je nach Saison angesagte Bowls, glasierter Ofenkürbis oder Brokkoli-Kartoffel-Pfanne mit Mohntopping. Auch immer mit dabei: frische Salate, gepimpt zum Beispiel mit Nektarine. Wie sehr das Team der Hochschulgastronomie den Nerv seiner Tischgäste mit ihrer Neuausrichtung trifft, beweisen die Verkaufszahlen. Allein das vegane Mensa Global-Menü wählten noch im Zeitraum der Pandemie im Oktober 2020 bis März 2021, rund 40 % aller Gäste. Richtig eindrucksvoll wird der Erfolg im Vergleich zur Menülinie „Mensa Classic“ für Freund*innen herzhafter Küche, die etwa Klassiker wie paniertes Schnitzel mit Kartoffelsalat oder Gulasch bot. Die Nachfrage lag nur noch knapp zwei Prozentpunkte davor. Von wegen Currywurst und Pommes, Plant-Based-Curry is coming! Mit rund 18% und damit nur halb so hoch fiel die Nachfrage für die dritte Menülinie „Mensa Active“ aus, die für Gäste mit traditionellem Gesundheitsbewusstsein, die Wert auf als vital und ausgewogen ausgelobte Speisen legen, entwickelt wurde.

 

In dem Zusammenhang ergänzte Heckmann die Rückschlüsse, die draus gezogen werden könnten. Wie in vielen Studien vorhergesehen, deutet der ökonomische Erfolg auf ein neues, auf die globale bzw. planetare Gesundheit gerichtetes Verständnis hin, dass die Attraktivität fleischloser Gerichte enorm gesteigert hat.

Er führte aus, dass sich an manchen Tagen der Umsatz mit vegan/vegetarischen Gerichten schon Mal auf 60 % erhöhe, wenn zum veganen „Mensa Global“-Menü auch auf den beiden anderen Linien ebenfalls fleisch- und fischlose Speisen verkauft würden.

 

Aus dieser Perspektive gelang es der Hochschulgastronomie mit ihrem neuen Konzept nicht nur ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern, sondern gleichzeitig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung mehr als gerecht zu werden. Dass allein der Ressourceneinsatz für 8.000 Essen täglich ein wirksamer Hebel für den Klimaschutz ist wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln. Doch es gehören weitere Aspekte zur Nachhaltigkeit, die ebenfalls berücksichtigt wurden. „Die Zielgruppe legt großen Wert auf Nachhaltigkeit“, so Heckmann, Weil auch Transparenz ein großes Anliegen der Gäste darstellt, werden rund 70 % der Speisen des „Mensa Global“-Menüs zusätzlich mit dem „KlimaTeller“ ausgelobt und auch Verpackungen seien wichtig. Daher wurde für das aktuelle „Mensa To Go“-Angebot auch ein Mehrweg-Pfand-System am Campus eingeführt, mit sehr hoher Akzeptanz seitens der Gäste.

 

 

Digitalisierung im Fokus

Neben diesem stand als weitere Veränderung auch die Digitalisierung im Fokus, die insbesondere für die Ressourcenersparnis eine große Rolle im Wandel zu nachhaltigerem Wirtschaften spielt. Die Swosy-App des Studentenwerks erlaubt durch Vorbestellungen der Essen eine sehr enge an der Nachfrage ausgerichteten just-in-time Produktion. Sie hilft vermeidbare Energie- und Lebensmittelverluste maximal zu verringern. Auch eine monetäre Ersparnis die sich an anderer Stelle, etwa für höhere Qualität im Einkauf oder in die Qualifizierung des Personals investieren lässt. Merke: Nachhaltigkeit ist eine Sache von Ressourceneffizienz und nicht zwangsläufig mit höherem Budgeteinsatz verbunden.

 

Auch dass Nachhaltigkeit nicht nur wirtschaftliche und ökologische sondern auch soziale Aspekte beinhaltet beweist die App. Durch die Vergabe von „Likes“ für die Essen und Kommentar-Funktionen ermöglicht Swosy eine direkte Kommunikation zwischen Gästen und Küchenteams, was beiden Seiten zu Gute kommt, denn erhört werden ist ebenso wichtig, wie ab und an eine warme Dusche des Lobes.

 

Genau das, die fairen Arbeitsbedingungen in Form von Wertschätzung und Partizipation des Küchenteams, kommt in vielen Küchen noch viel zu kurz. Wie ernst die Hochschulgastronomie diesen Aspekt der Nachhaltigkeit nimmt, die im Übrigen auch einer der entscheidenden Faktoren für ein freundliches Ambiente im Speiseraum sowie die Ergebnisqualität auf dem Teller und damit auch für die Gästezufriedenheit darstellen, zeigte Heckmann am Beispiel der Aktionswochen auf. Dann bereicherte etwa eine russische Woche oder die Singapur-Woche den Speisenplan. Eingebunden seien dann jeweils diejenigen Mitarbeiter*innen der Gastronomie, die aus den Motto-Ländern abstammten. Mit Original-Lieblingsrezepten und zusätzlichem Informationsmaterial für Gäste wird hier ein Musterbeispiel interkulturellen Austausches gelebt, das sofort zum Nachmachen einlädt.

 

Heckmann endete seinen Vortrag mit einem vorsichtig positiven Ausblick in die Zukunft. Zusätzlich zum stark limitierten „Mensa To Go“-Angebot, das die Küche pandemiebedingt seit Mai 2020 an nur drei von sechs Standorten dauerhaft ausgeben konnte, könne in den nächsten Wochen immerhin an zwei der größten in den Mensabetrieben wieder regulär gespeist werden. Mit voller Leistung in allen Mensen und Cafeterien rechnet Heckmann erst zur Wiedereröffnung mit Beginn des Wintersemesters im Oktober 2021.

Beeindruckt vom Vortrag beschäftigten die Gäste der Tafelrunde in der anschließenden Diskussion vor allem Fragen zu den Kriterien des „Mensa Gobal“-Menüs, zur Swosy-App wie deren Schnittstelle mit dem Warenwirtschaftssystem. Ebenfalls im Fokus: der „KlimaTeller“ samt Auswahl klimafreundlicher Zutaten und Berechnung der CO2-Bilanz der Speisen.

 

 

Über den Referenten:

Philipp Heckmann ist seit 2016 beim Studentenwerk Osnabrück beschäftigt und dort seit 2018 zum stellvertretenden Abteilungsleiter der Hochschulgastronomie des Studentenwerks Osnabrück aufgestiegen. Berufserfahrung sammelte er zuvor bei Ikea FOOD und dem Studentenwerk Kassel. Sein Bachelorstudium Ökotrophologie absolvierte Heckmann wie sein Masterstudium Nachhaltige Dienstleistungs- und Ernährungswirtschaft, das er erst 2014 an der FH Münster abschloss.