Pflanzliches Eisen – viel besser als sein Ruf

Pflanzliches Eisen – viel besser als sein Ruf
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In einer vorwiegend pflanzenbasierten Ernährung gilt das Spurenelement Eisen noch immer als kritischer Faktor. Hartnäckig halten sich Behauptungen und Mythen, pflanzliche Lebensmittel seien generell minderwertige Eisenquellen und das enthaltene Eisen sei noch dazu schlecht verwertbar. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse beweisen das Gegenteil: Danach sind die Eisengehalte bestimmter pflanzlicher Lebensmittel erstens nicht geringer als die tierischer. Zweitens ist die Bioverfügbarkeit von pflanzlichem Eisen, also der Anteil, den der Körper wirklich aufnimmt, in ähnlicher Größenordnung, wie die von Eisen aus tierischen Nahrungsquellen.

 

Haus Rabenhorst hat dazu ein Gespräch mit dem Biochemiker und Lebensmittelwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Günther geführt, der sich seit vielen Jahren mit der Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen und Spurenelementen befasst. Er ist Autor zahlreicher Bücher, arbeitet am Forschungszentrum Jülich und am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Prof. Günther, Sie behaupten, pflanzliche Eisenquellen seien viel besser als ihr Ruf und ihre Bioverfügbarkeit sei in ähnlicher Größenordnung, wie die von Eisen aus tierischen Nahrungsquellen. Worauf stützt sich Ihre These?

Pflanzliche Lebensmittel enthalten Eisen in unterschiedlichen Formen: Das dreiwertige Eisen (Fe3+) gilt gemeinhin als schlecht resorbierbar. Wird die Aufnahme z. B. mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln kombiniert, kann die Verfügbarkeit sehr stark verbessert werden, da das durch Reduktion nun entstandene Fe2+ sehr gut durch die Darmzellen aufgenommen werden kann. Dies ist der erste wichtige Punkt.

In vielen Pflanzen liegt Eisen aber auch in großen Teilen als Ferritin vor. Hierbei handelt es sich um wasserlösliche Speicher-Moleküle mit einem Eisenkern, der aus ca. 4.000 Eisenionen besteht. Dieser Kern ist von einer Proteinhülle ummantelt. Bereits seit einigen Jahren belegen mehr und mehr Studien, dass Ferritin-Eisen über einen eigenen Ferritin-Port auf direktem Weg in die Enterozyten aufgenommen werden kann. Dieser Aufnahmepfad ist vollkommen unabhängig von den anderen bekannten Resorptionswegen und bringt viele Vorteile mit sich: 

Ferritin-Molekül

Die Ferritin-Moleküle bleiben während der Aufnahme intakt. Erst in der Darmzelle werden sie aufgespalten und die Eisenionen werden im Kern verfügbar. Pro Ferritin-Molekül gelangen so sehr viele Eisenionen gleichzeitig in die Zellen und stehen für die zahlreichen essenziellen Funktionen im Körper zur Verfügung. Im Gegensatz zu den anderen beiden Aufnahmewegen haben andere Nahrungsbestandteile wie Polyphenole, Oxalsäure, Phytinsäure, die eine Eisenresorption hemmen können, keinerlei Einfluss auf die Aufnahme von Ferritin, da der Proteinmantel gegen äußere Einwirkungen einen wirksamen Schutz bietet. Zudem soll die Aufnahme von Eisen über den Ferritin-Port langsamer erfolgen als über die anderen Wege, was den Prozess für die Zelle besser kontrollierbar macht. Ein weiterer Vorteil: Durch den Verzehr von ferritinreichen, pflanzlichen Produkten werden zusätzlich viele antioxidativ wirkende sekundäre Pflanzenstoffe aufgenommen. Diese können den oxidativen Stress im Organismus reduzieren und damit Entzündungsprozessen im Körper entgegenwirken.

Eisen-Transport-Wege

In Ihrem Buch und im Rahmen Ihrer Vorträge weisen Sie immer wieder darauf hin, dass auch heutzutage häufig Fehler bei der Diagnose von Eisenmangelzuständen auftreten. Können Sie bitte näher erläutern, worin das Problem besteht und welche Werte bei der Bestimmung aus Ihrer Sicht eine Rolle spielen.

Der Eisenstatus eines Patienten oder einer Patientin wird üblicherweise erst mal nur über das Hämoglobin (Hb-Wert) bestimmt. Dieser Wert gibt jedoch weder über den Füllzustand der Eisenspeicher (Ferritin) noch über die prozentuale Beladung der Eisentransportproteine Transferrin mit Eisenionen Auskunft. Dadurch kann der Eindruck entstehen, der Körper sei ausreichend mit Eisen versorgt. Tatsächlich kann aber z. B. eine geringe Transferrinsättigung vorliegen, wodurch die verschiedenen Eisenenzyme nicht mehr genügend mit dem zentralen Spurenelement versorgt werden. Das hat wiederum zur Folge, dass ihre Funktion eingeschränkt ist, wodurch Krankheiten wie Depression entstehen können. Am Hb-Wert ist die im Beispiel erwähnte geringe Sättigung aber nicht zu erkennen. Ähnlich verhält es sich mit dem Eisenspeicherstatus: Erst wenn die Eisenspeicher leer sind, beginnt der Hb-Wert zu sinken. Das bedeutet, dass schon bevor dies sichtbar wird, ein Eisenmangel vorlag, der sich nun zu einer Eisenmangelanämie ausgeweitet hat.

 

Um den Status der Eisenversorgung also umfassend und richtig bestimmen zu können, ist die Ermittlung und Betrachtung von vier verschiedenen Werten wichtig: Hämoglobin (Hb-Wert), Transferrin (Eisentransporter), Ferritin (Eisenspeicher) sowie C-reaktives Protein (CRP, Entzündung). Nicht alle diese Werte sind Bestandteil einer normalen Laboruntersuchung. Sie müssen teilweise extra angefordert werden.

Kommen wir zur praktischen Umsetzung: Worauf müssen Ernährungsfachkräfte – insbesondere bei einer pflanzenbasierten Ernährung – bei der Lebensmittelauswahl und der Zusammenstellung der Mahlzeiten achten?

Um mit einer pflanzenbasierten Ernährung den täglichen Eisenbedarf zu decken, besteht die Herausforderung in der Tat in der Lebensmittel-Auswahl und -Zusammenstellung. Folgende Punkte gilt es dabei zu beachten: Pflanzen enthalten von Natur aus viel Wasser. Dieser Wasseranteil kann zu Fehleinschätzungen in Bezug auf den Eisengehalt im verzehrfertigen Produkt führen, wenn man zum Beispiel die Gehalte von frischen und getrockneten oder verarbeiteten Lebensmitteln vergleicht.

 

Zudem ist eine realistische Einschätzung der Verzehrmenge von Bedeutung. Bei der Zusammenstellung muss besonderes Augenmerk daraufgelegt werden, dass viele beliebte Grundnahrungsmittel sowie regionale Obst- und Gemüsesorten – z. B. Nudeln, Kartoffeln, Äpfel, Birnen, Sellerie, Pilze, Tomaten, Paprika, Karotten, Blumen-, Weiß- oder Rotkohl sowie Kohlrabi – kaum Eisen enthalten.

 

Für die Ernährungsberatung bedeutet das:

Erstens: Errechnen Sie den Eisengehalt einer Mahlzeit immer in Bezug auf das verzehrfertige Produkt sowie auf einheitliche, realistische Portionen.

 

Zweitens: Wählen Sie bei der Zusammenstellung der täglichen Mahlzeiten Lebensmittel aus, die relativ sicher viel Eisen enthalten, z.B. Hülsenfrüchte, v.a. Linsen, Bohnen, Erbsen und Soja, Weizenkleie, Amaranth, Quinoa, Haferflocken und Vollkornprodukte sowie Nüsse und Samen.

Haben Sie zum Schluss noch ein paar konkrete Vorschläge, wie jeder zu Hause die Bedarfsdeckung bewerkstelligen kann?

Prof. Dr. Klaus Günther

Erstens: Integrieren Sie Hülsenfrüchte als Grundnahrungsmittel in Ihren Speiseplan: Täglich 300-400 g fertig zubereitete Linsen, Bohnen oder Erbsen decken bereits die Hälfte des täglichen Eisenbedarfs.

 

Zweitens: Sie sollten täglich 100 g Getreideprodukte, Nüsse und Samen verzehren, entweder als vollwertiges Frühstück oder als Snack zwischendurch. Damit decken Sie ein weiteres Drittel des Eisenbedarfs. Kombinieren Sie das mit Vitamin-C- reichen Früchten oder Säften, aber nicht mit Milchprodukten. Auch Kaffee oder Schwarztee sollte nicht unmittelbar vor oder nach der Mahlzeit genossen werden. 

 

Drittens: Bereiten Sie grüne Smoothies mit Hülsenfrüchten, Samen und Nüssen zu. Dazu einfach einen Obst- und Gemüseanteil durch gegarte Hülsenfrüchte ersetzen, oder die Smoothies mit Nüssen und Samen anreichern. Ein 150-ml-Glas kann ca. 15 % des täglichen Bedarfs an Eisen liefern.

Mehr zum Thema Eisenversorgung finden Sie unter www.saftexperten.de.

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Verfasser*in: Sabrina Broeske

Sabrina Broeske ist Innovationsmanagerin bei der Haus Rabenhorst O. Lauffs GmbH. Sie ist zuständig für die Experten-Kommunikation mit Ernährungsfachkräften, Medizinern und Hebammen.