Stillen fördert die Gesundheit von Mutter und Kind – Beratung kann unterstützen

Stillen fördert die Gesundheit von Mutter und Kind – Beratung kann unterstützen
© pexels, Wendy Wei

Stillen ist nicht nur die natürliche Ernährung von Säuglingen – Stillen hat zudem signifikante positive Effekte auf die Gesundheit von Mutter und Kind: Stillen Mütter ihr Kind, sinkt etwa das Risiko an Diabetes Typ 2, Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken, um ein Viertel bis zur Hälfte gegenüber Frauen, die nicht stillen [1-2]. Gestillte Kinder sind langfristig betrachtet seltener übergewichtig als nicht gestillte [3]. Gute Gründe für Mutter und Kind zu stillen.

Stilldauer und -raten in Deutschland: Hintergründe und Status Quo

Die Empfehlung des Netzwerks Gesund ins Leben für die Stilldauer lautet in Deutschland, das Kind volle vier bis sechs Monate ausschließlich zu stillen, die WHO empfiehlt sechs Monate [4]. Lediglich 40 Prozent der Mütter in Deutschland stillen bis Ende des vierten Monats ausschließlich, am Ende des sechsten sind es nur noch 13 Prozent [5]. Dies ist umso bemerkenswerter, da rund 90 Prozent der angehenden Mütter planen, ihr Kind zu stillen [5]. Woran liegt es, dass so viele Frauen dann gar nicht stillen oder frühzeitig damit aufhören? Die Gründe sind vielfältig: Die Unsicherheit über eine ausreichende Milchmenge oder Brustentzündungen werden am häufigsten genannt [5].

 

Viele dieser Unsicherheiten und Probleme können vermieden oder gelöst werden, wenn die Frauen frühzeitig und ausreichend beraten sowie praktisch beim Stillen unterstützt werden. Dies gilt insbesondere für Frauen in belasteten Lebenslagen – sie fühlen sich nicht gut auf das Stillen vorbereitet und werden durch freiwillige Beratungs- und Unterstützungsangebote schlechter erreicht. Beratung und Unterstützung sind hier also besonders wichtig [6].

 

Betreuen Ernährungsfachkräfte Familien und Frauen in der Zeit der Schwangerschaft und Stillzeit, haben sie die Möglichkeit, das Stillen zu fördern: Es besteht ein enger Kontakt zu den jungen Eltern und diese bringen ihnen grundsätzlich großes Vertrauen entgegen. Wichtige Voraussetzungen, um effektiv zu beraten und gemeinsam zu überlegen, wie ein gesunder Lebensstil umgesetzt werden kann und welche Unterstützung notwendig und möglich ist.

Wie kann Beratung zum Stillen gelingen?

Generell gilt, dass Beratung möglichst frei von Vorurteilen und Wertung sein soll. Eine stigmasensible und individuell auf die Bedürfnisse der Familie abgestimmte Beratung ist Basis für den Erfolg und trägt maßgeblich zur Akzeptanz bei Menschen unterschiedlicher Bildungs- und Einkommensschichten bei.

 

Für die Kommunikation zum Stillen bedeutet dies, dass sich (werdende) Mütter in der Wahl der Ernährungsform für ihren Säugling nicht unter Druck gesetzt fühlen – jede Mutter entscheidet selbst, wie sie ihr Kind ernähren möchte. Niemand soll sich bevormundet fühlen.

 

Die Beratung soll über die Effekte und Praxis des Stillens informieren und bei vorhandenem Stillwunsch unterstützen und bestärken. Viele Mütter berichten von gemischten oder negativen Erfahrungen beim öffentlichen Stillen – tatsächlich lehnt jede*r Sechste Stillen in der Öffentlichkeit ab [7]. Frauen fühlen sich also verständlicherweise stigmatisiert, stillen nicht mehr öffentlich oder stillen im ungünstigsten Fall frühzeitig ab. Beratungsfachkräfte können ihnen den Rücken stärken und vermitteln, dass Stillen normal und willkommen ist, überall.

 

Diese sechs Kriterien helfen bei einer stigmasensiblen Beratung zum Stillen [8]:

  1. Konkret evidenzbasierte Fakten zu den positiven Effekten des Stillens benennen, statt zu verallgemeinern oder zu romantisieren. So tragen Sie zur sachlichen Aufklärung bei.
  2. Alltagsnah kommunizieren. Praktische Vorschläge machen und die klare Botschaft senden, dass der Alltag nicht perfekt sein muss. Viele Mütter empfinden einen „Druck von außen“, Sie können sie entlasten.
  3. Akzeptierend kommunizieren, orientiert an der Lebensrealität der Frauen und ihres sozialen Umfelds. Informationen anbieten, aber nicht aufzwingen. Erfragen Sie, was sie brauchen und noch wissen möchten.
  4. Diversitätsgerecht kommunizieren. Vielfältige Lebensentwürfe von Stillenden darstellen und möglichst inklusiv formulieren. Vielseitige Situationen zeigen, denn Stillende nehmen aktiv am Leben teil (Einkaufen, Erwerbsarbeit, Ausgehen …). Es ist normal, Hilfe durch Partner*in / Freundeskreis / Familie anzunehmen, um ein Kind großzuziehen.
  5. Stillen überall als normal darstellen, denn einen Säugling zu ernähren gehört zum Leben dazu – auch in der Öffentlichkeit.
  6. Stillen positiv rahmen, also mit dem Stillen positive Emotionen verbinden. Das kann bei Schwangeren die Motivation stärken und bei Nichtbetroffenen Empathie wecken. Stellen Sie das Fläschchengeben nicht negativ dar, um umgekehrte Stigmatisierung zu vermeiden.

Das Netzwerk Gesund ins Leben sowie das Nationale Zentrum Frühe Hilfen stellen Fachkräften vielfältige Informations- und Fortbildungsangebote zum Thema Stillen und Säuglingsernährung bereit. Diese unterstützen dabei, Stillen sensibel zu thematisieren und Familien kompetent zu begleiten.

Nationale Strategie zur Stillförderung – Rahmenbedingungen verbessern

Die Rahmenbedingungen für Stillende werden in Deutschland als „moderat stillfreundlich“ eingestuft. Mit der Nationalen Strategie zur Stillförderung, die 2021 von der Bundesregierung verabschiedet wurde, soll dies geändert werden [9]. Dazu wurden folgende sieben Strategiefelder identifiziert und Optimierungsvorschläge für diese entwickelt: Evidenzbasierte Leitlinien, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Präventions- und Versorgungsstrukturen, kommunale Stillförderung, Stillen und Beruf, Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten und systematisches Stillmonitoring.

In 7 Strategiefeldern setzt die Nationale Strategie zu Stillförderung an, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Kommunikation ist eine Querschnittaufgabe., © BMLEH
Abb. 1: Strategiefelder der Nationalen Strategie zur Stillförderung, © BMLEH

Die Nationale Strategie zur Stillförderung wurde auf Initiative der Bundesregierung mit mehr als 150 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis entwickelt. Sie ist die Basis, um Deutschland nachhaltig stillfreundlicher zu machen. Das Netzwerk Gesund ins Leben hat eine kommunikative Strategie zur Stillförderung entwickelt und setzt diese um. Zudem ist es für die kommunikativen Maßnahmen aller Strategiefelder zuständig. In Abstimmung mit den relevanten Akteur*innen werden unterschiedliche Kommunikationsmaßnahmen konzipiert und umgesetzt. Mit gezielter Kommunikation soll nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die Wahrnehmung geprägt und mittel- und langfristig Einstellungen und Verhalten geändert werden.

 

Das Netzwerk Gesund ins Leben ist ein Zusammenschluss von Institutionen, Fachgesellschaften und Verbänden zur Förderung der frühkindlichen Gesundheit – von der Zeit vor der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Alle Akteure dieses Netzwerks unterstützen Familien beim gesunden Aufwachsen ihrer Kinder. Basis dafür sind die fachlich gesicherten, konsentierten Handlungsempfehlungen.

 

Das Netzwerk stellt Informationen für Fachkreise, Familien und Presse zur Verfügung: Auf der Webseite, auf Instagram, per Newsletter, durch Fortbildungen, auf Veranstaltungen und in Informationsmaterialien. Darüber hinaus wirkt das Netzwerk auf strukturelle Rahmenbedingungen ein, um Familien und Multiplikator*innen im Alltag zu unterstützen.

 

Das Netzwerk Gesund ins Leben ist Teil des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH).

Weiterführende Informationen:

 

Quellen:

 

[1] Chowdhury R et al. Breastfeeding and maternal health outcomes: a systematic review and meta-analysis. ActaPaediatr 2015; 104 (467):96–113

[2] Gunderson EP, Lewis CE, Lin Y, Sorel M, Gross M, Sidney S, Jacobs DR Jr, Shikany JM, Quesenberry CP Jr. Lactation Duration and Progression to Diabetes in Women

[3] Horta BL, Loret de Mola C, Victora CG. Long-term consequences of breastfeeding on cholesterol, obesity, systolic blood pressure and type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Acta Paediatr 2015; 104(467): 30–37Across the Childbearing Years: The 30-Year CARDIA Study. JAMA Intern Med 2018; 178(3): 328–337

[4] Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) (Hrsg.) Handbuch Basiswissen Stillen – Eltern Praxisnah informieren und begleiten, Bonn: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), 2023

[5] Brettschneider AK, von der Lippe E, Lange C. Stillverhalten in Deutschland – Neues aus KiGGS Welle 2, Bundesgesundheitsbl 2018; 61(8): 920–925. doi.org/10.1007/s00103-018-2770-7

[6] Reiss K, Eiser S, Lücke S et al. Stillförderung bei Müttern in belasteten Lebenslagen – Ergebnisse einer qualitativen Zielgruppenanalyse. Präv Gesundheitsf 2022. doi: 10.1007/s11553-022-00977-7

[7] Lücke, S., Koch, S., Böl, GF. et al. Die gesellschaftliche Akzeptanz von öffentlichem Stillen im zeitlichen Vergleich: Erfahrungen und Einstellungen der Bevölkerung und stillender Mütter 2016 und 2020. Bundesgesundheitsbl 65, 1188–1196 (2022). doi.org/10.1007/s00103-022-03596-x

[8] Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) (Hrsg.) Leitfaden zur Kommunikation rund um das Stillen. Bonn: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), 2021

[9] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Nationale Strategie zur Stillförderung. 2021

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Verfasser*in: Gudrun Kinzel

Die Diplom-Oecotrophologin ist seit 2020 Referentin für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Netzwerks Gesund ins Leben in Bonn.