Verminderung der Knochendichte – ein Hinweis auf Zöliakie?

Verminderung der Knochendichte – ein Hinweis auf Zöliakie?

Eine Minderung der Knochendichte bis hin zur Osteoporose ist eine schwerwiegende Veränderung am Knochen. Da sie keine Beschwerden verursacht, bleibt sie oft lange unentdeckt. Es gibt etliche Risikofaktoren, die gut bekannt sind und bei denen auch gezielt auf die Knochendichte geachtet wird. Dazu zählen vor allem das Alter und das Geschlecht. Frauen ab etwa dem 50. Lebensjahr sind besonders gefährdet. Das liegt überwiegend am dritten Risikofaktor – dem nachlassenden Östrogenspiegel. Denn gerade die Sexualhormone sind wichtige Unterstützer für den Knochenaufbau. Mangelnde Bewegung, Rauchen und Untergewicht, familiäre Veranlagung sowie die Einnahme bestimmter Medikamente können ebenfalls eine Minderung der Knochendichte hervorrufen. Eine weitere Ursache können andere Erkrankungen sein, die durch ihr Krankheitsgeschehen eine negative Auswirkung auf die Knochendichte auslösen.

 

Insbesondere sollte hierbei an eine mögliche Zöliakie gedacht werden. Der Gedanke an eine Darmerkrankung ist nicht ganz naheliegend, daher sollen im Folgenden die pathogenetischen Zusammenhänge und ihre Auswirkungen für die Betroffenen dargestellt werden.

Faktoren, die die Entstehung der Osteoporose bei Zöliakie begünstigen

Zunächst sieht man die Zöliakie als Darmerkrankung, bei der die autoimmune Entzündungsreaktion eine Atrophie der Duodenalschleimhaut zur Folge hat. Viele Nährstoffe können dadurch schlechter aufgenommen werden. Einer davon ist das Calcium. Der Körper benötigt Calcium aber für zahlreiche Stoffwechselprozesse. Der Spiegel im Blut muss dafür möglichst konstant gehalten werden. Bei mangelnder Resorption über den Darm setzt der Körper seine Reserven aus dem größten Calciumspeicher frei, den er hat – den Knochen. Dafür wird Parathormon vermehrt aus der Nebenschilddrüse freigesetzt. Es entsteht ein so genannter sekundärer Hyperparathyreoidismus. Parathormon bewirkt, dass die Knochen-abbauenden Zellen, die Osteoklasten, aktiviert werden und dadurch mehr Calcium in den Blutstrom gelangt. Für die Knochensubstanz bedeutet das allerdings einen Verlust; Knochendichte und -mineralisation sinken in der Folge.

 

Weitere Faktoren tragen verstärkend zu diesem Verlust bei: Die Entzündungsreaktion bleibt bei Zöliakie nicht auf den Darm beschränkt, sondern die Entzündungsmediatoren (proinflammatorische Zytokine wie TNF-) haben einen systemischen Effekt auf den gesamten Organismus. Sie bewirken ebenfalls eine Aktivierung der Osteoklasten und fördern damit den Abbau von Knochensubstanz. Bei vielen Frauen, aber auch bei Männern mit Zöliakie, verursacht die Krankheit eine Änderung im Hormonstoffwechsel (z.B. Zyklusstörungen) mit verminderter Sekretion von Östrogen (bzw. Testosteron). Wie in der Menopause wirkt sich das negativ auf die Knochensubstanz aus.

 

Ein weiterer Faktor ist der Vitamin D-Mangel, der in der Allgemeinbevölkerung, aber auch bei vielen Zöliakie-Betroffenen zu finden ist, weil die Haut zu wenig dem Sonnenlicht ausgesetzt wird und die Schleimhaut bei Zöliakie das Vitamin aus der Nahrung nicht gut aufnehmen kann. Vitamin D ist für die Einlagerung von Calcium in die Knochen zuständig.

Besteht also ein Mangel sowohl an Calcium als auch an Vitamin D ist die Knochenmineralisation zu gering.

Es entsteht aber nicht nur eine Veränderung in der Knochenmineralisation und dem strukturellen Aufbau. Mit dem Umbau des Knochens geht auch ein erhöhtes Frakturrisiko einher. Dieses wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen sowohl für Oberschenkelhalsbrüche als auch für andere Frakturen. Das Risiko für einen Knochenbruch korreliert dabei mit dem Alter bei Diagnosestellung der Zöliakie – je älter bei Diagnose, umso höher ist das Risiko für eine Fraktur. Dabei zeigen manche Studien ein erhöhtes Frakturrisiko auch anhaltend nach der Umstellung auf die glutenfreie Ernährung. Ein Fortbestehen der Zottenatrophie kann eine mögliche Ursache dafür sein, dass sich die Knochenstruktur nicht verbessert.

Wie häufig kommt eine Minderung der Knochendichte bei Zöliakie vor – und inwiefern sind bereits Kinder und Jugendliche betroffen?

Eine Minderung der Knochendichte (Osteopenie) kann je nach Studie bei 30 – 60%, selten sogar bei 70% der Betroffenen nachgewiesen werden, eine Osteoporose (mit schwererem Umbau der Knochenstruktur) bei 18-35%. Damit weist tatsächlich ein beträchtlicher Teil an Zöliakie-Patienten und vor allem -Patientinnen diese extraintestinale Beteiligung auf. Da die negativen Auswirkungen des Krankheitsgeschehens bereits im Kindes- und Jugendalter zu beobachten sind, ist die Entwicklung einer Osteoporose einer der wichtigsten Gründe, die Zöliakie möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und vor allem zu therapieren.

Es ist anzustreben, eine Zöliakie am besten vor dem pubertären Wachstumsschub festzustellen, da in dieser Phase die meiste Knochensubstanz aufgebaut wird, die die Grundlage für einen gesunden Knochen über das weitere Leben darstellt. Wird die Zöliakie vor Einsetzen des maximalen Längenwachstums bekannt, kann durch die glutenfreie Ernährung in den folgenden Jahren eine Normalisierung der Knochendichte erfolgen.

Welche Untersuchungen sind bei wem notwendig und sinnvoll?

Die Standarduntersuchung ist die Knochendichtemessung mittels DEXA-Methode (= Dual Energy X-Ray Densitometrie) an der Lendenwirbelsäule und beiden Oberschenkelknochen. Sie kann unter bestimmten Umständen auch als Kassenleistung abgerechnet werden, bei anderen Methoden ist keine Erstattung über die gesetzlichen Krankenkassen möglich. In der deutschen Zöliakie-Leitlinie von 2021 wurde erstmals eine Empfehlung zur Knochendichtemessung für Zöliakie-Betroffene aufgeführt. Darin wird festgehalten, dass eine Zöliakie ein erhöhtes Risiko für eine Osteoporose darstellt und daher allen Betroffenen ab dem 50. Lebensjahr eine Untersuchung angeraten wird. Liegen weitere Risikofaktoren vor, sollte die Untersuchung unabhängig vom Alter erfolgen. Das kann auch bei allen Betroffenen ohne Risikofaktoren etwa 1-1,5 Jahre nach Beginn der glutenfreien Ernährung erwogen werden. Als Risikofaktoren gelten die eingangs genannten, allgemein bekannten Einflussgrößen. Untergewicht bzw. niedriger BMI, eine frühe Menopause und Stoffwechselveränderungen mit erhöhtem Homocystein, einem Abbauprodukt aus dem Proteinstoffwechsel, durch Mangel an

Vitamin B6, B12 und Folsäure sind dabei gerade bei Zöliakie häufiger anzutreffen und sollten dann in der hausärztlichen Versorgung zu entsprechenden Untersuchungen führen.

Calcium- und Vitamin D- Werte sind sinnvolle Bluttests und können durch zusätzliche Bestimmung der Alkalische Phosphatase und des Parathormons ergänzt werden, um ein Gesamtbild des Knochenstoffwechsels zu erhalten.

 

Die Osteoporose-Leitlinie sieht die Zöliakie ebenfalls als Risikofaktor für eine Osteoporose. Dennoch gibt es keine Studien, die gut belegen, dass bei Osteoporose in jedem Fall nach einer Zöliakie gesucht werden müsste. Dazu gibt es zu viele andere Auslöser und Ursachen für eine Minderung in der Knochendichte. Es ist aber sinnvoll, wenn Verdachtsmomente wie gastrointestinale Beschwerden, Anämie, familiäre Belastung mit Zöliakie und anderen Autoimmunerkrankungen und frühzeitigem Auftreten der Osteoporose vorliegen, niedrigschwellig eine Zöliakie-Diagnostik in die Wege zu leiten. Anamnestisch sollten daher diese Informationen bei Feststellung einer Osteoporose immer abgefragt werden.

Welche Therapiemaßnahmen werden bei einer Osteoporose und Zöliakie empfohlen?

Der wichtigste Schritt ist die Umstellung auf die glutenfreie Ernährung. Die Begleitung durch eine Ernährungsfachkraft ist bei bekannter oder vermuteter Verschlechterung der Knochendichte besonders sinnvoll, um die Versorgung mit den notwendigen Mineralstoffen und Vitaminen sicherzustellen.

In den ersten beiden Jahren nach Diätbeginn zeigt sich die größte Verbesserung der Knochendichte. Daher kann auch so lange mit der Testung bei vielen Betroffenen ohne besondere Risikofaktoren gewartet werden. Dann sieht man am besten, von welcher Situation man mit weiteren Kontrolluntersuchungen und der Behandlung ausgehen muss.

Die Gabe von Calcium und Vitamin D sollte begonnen werden, wenn die Blutspiegel zu niedrig liegen. Vor allem eine ausreichende Calciumversorgung gemäß der DVO-Leitlinie sollte am besten über die Ernährung sichergestellt sein. Die Vitamin D-Ergänzung wird in den meisten Übersichten eher als tägliche Gabe mit einem Supplement empfohlen, wobei sich Dosierung und Zielspiegel je nach Quelle unterscheiden können.

Weitere wichtige Therapie-Bausteine sind Bewegung und Krafttraining. Der Knochen braucht diese Anregung, um mehr Knochenmasse und eine stabilere Struktur zu produzieren. Das kann auch im höheren Alter noch gelingen, um den raschen Knochenabbau zu verzögern. Reduktion von Alkohol und Nikotin wirken sich ebenfalls positiv aus. Es sollte also immer ein Gesamtkonzept aus nährstoffreicher glutenfreier Ernährung mit ausreichender Ergänzung an Calcium und Vitamin D sowie der übrigen für den Knochenstoffwechsel wichtigen Vitamine und Mineralstoffe und sportlicher Betätigung bzw. vermehrter körperlicher Bewegung für die Betroffenen zusammengestellt werden, um die Regeneration der Knochensubstanz optimal zu unterstützen.

Können die negativen Effekte auf den Knochenstoffwechsel verhindert werden?

Präventiv sollte die frühzeitige Diagnosestellung der Zöliakie die negativen Auswirkungen der Erkrankung auf den Knochenstoffwechsel verhindern. Das Screening von Risikogruppen hilft dabei, Zöliakie-Betroffene möglichst früh zu erkennen. Zu den Personen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine Zöliakie zählen erstgradige Verwandte von Zöliakie-Betroffenen, Personen mit einem Typ 1-Diabetes mellitus oder einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse sowie genetischen Veränderungen wie einer Trisomie 21 oder einem Turner-Syndrom.

Italien ist das erste Land, das in diesem Jahr ein Bevölkerungsscreening für Zöliakie eingeführt hat. Es wird allen Kindern zwischen 2 und 10 Jahren ein Test auf Zöliakie angeboten. Da sich die meisten Zöliakie-Fälle bereits in dieser Zeit entwickeln – oftmals über Jahre und Jahrzehnte ohne besondere Beschwerden – soll erreicht werden, solche Komplikationen durch frühzeitigen Beginn einer glutenfreien Ernährung zu verhindern.

Kurz gesagt …

Eine Minderung der Knochendichte ist eine häufige Auswirkung der Autoimmunerkrankung Zöliakie. Man sollte in jedem Lebensalter daran denken, dass eine entsprechende Entzündungsaktivität den Knochenstoffwechsel negativ beeinflusst haben könnte. Je nach Alter ist eine entsprechende Diagnostik sinnvoll, um therapeutisch entgegenwirken zu können. Dabei ist die wichtigste Maßnahme die dauerhafte und konsequente Umsetzung der glutenfreien Ernährung. Ergänzungen mit Calcium und Vitamin D können notwendig und sinnvoll sein, um die Knochensubstanz wieder aufzubauen. Sportliche Betätigung und eine gesunde Lebensführung tragen wichtige Teile dazu bei. Um die negativen Effekte möglichst gering zu halten, ist ein Screening von Risikogruppen oder gar der Bevölkerung hilfreich.

Bei einer Osteoporose, deren Ursache unklar ist, sollte immer auch eine Zöliakie als zugrunde liegende Erkrankung erwogen und niedrigschwellig getestet werden.

Quellen:

  1. Felber J et al, Aktualisierte S2k-Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Z Gastroenterol. 2022 May;60(5):790-856.

  2. Drey M et al., [Update of the S3-guideline on diagnostics, prophylaxis and treatment of osteoporosis]. Orthopadie (Heidelb). 2024 Jul;53(7):541-549.

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Verfasser*in: Dr. Stephanie Baas

Dr. med. Stephanie Baas ist Fachärztin für Kinderheilkunde und auf Zöliakie spezialisiert. Von 2005-2023 war sie ärztliche Beraterin bei der DZG. Seit 2025 ist sie bei Schnitzer verantwortlich für fachwissenschaftliche BLOG-Beiträge zu Zöliakie.