Das Ernährungsbildungskonzept #easyfoodbw nimmt junge Erwachsene in den Blick. Multiplikatorinnen und Multiplikatoren können Events aus dem Konzept #easyfoodbw mit jungen Erwachsenen in Berufsschulen, an Unis, in Betrieben oder z. B. auch in Jugendhäusern durchführen. Die Events sind jeweils an einer Hauptmahlzeit orientiert und bieten Raum für Diskussionen über ein Ernährungsthema. Das Zubereiten und Genießen einfacher Gerichte ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des subjektorientierten Konzepts.
Zielgruppe von #easyfoodbw
Junge Erwachsene – wer zählt da eigentlich dazu? Im Allgemeinen werden darunter Personen verstanden, die zwischen 18 und 26 Jahren alt sind. Sie sind eine sehr heterogene Gruppe: Sie machen entweder ihren Schulabschluss, befinden sich in Ausbildung, Studium oder sind schon mitten im Berufsleben. Dennoch eint sie, dass sie sich in einer Lebensphase befinden, die von zahlreichen Herausforderungen und Veränderungen geprägt ist. Dazu gehört beispielsweise, Entscheidungen für den weiteren Lebensweg zu treffen, die eigene Identität und Werte zu formen sowie die Anforderungen des Erwachsenseins zu bewältigen. In dieser Lebensphase verändert sich häufig auch das Essverhalten. Durch den Auszug aus dem Elternhaus, neue Routinen, einen eigenen Haushalt und ein oft begrenztes Budget können sich neue Ess- und Trinkgewohnheiten etablieren. Aber auch Werteorientierung und Identitätsstiftung beeinflussen die Ernährungsweise junger Erwachsener.
In dieser Umbruchphase sind junge Erwachsene besonders empfänglich für neue Impulse und somit für Veränderungsprozesse in ihrem persönlichen Denken und Verhalten. Ein idealer Ansatzpunkt für Ernährungsbildung.
Ernährungskompetenz junger Erwachsener
Angebote der Ernährungsbildung scheinen bei der Zielgruppe auch durchaus an der richtigen Stelle platziert zu sein, denn Studien bestätigen ein großes Defizit junger Erwachsener im Bereich der Ernährungskompetenz, insbesondere bei der täglichen Auswahl gesundheitsfördernder Lebensmittel.
- Laut der AOK-Ernährungskompetenz-Studie aus 2020 (n = 213 Teilnehmer) wiesen knapp 63 % der 18 bis 24-jährigen eine problematische bis inadäquate Ernährungskompetenz auf (1).
- Eine Online-Befragung des nationalen Ernährungsmonitorings (nemo) aus April 2025 enthielt auch einige Wissensfragen aus dem Bereich Ernährung z. B. zu den DGE-Empfehlungen, Saisonalität, MHD, CO2-Bilanz von Lebensmitteln. Die jüngste Gruppe (18-29 Jahre, n = 536 Teilnehmer) wies den niedrigsten Anteil richtiger Antworten auf, wobei alle Altersgruppen recht nah beieinanderlagen. (2)
- Das Gesundheitssurvey der Hochschule Fulda 2023 ergab zudem, dass zwei Drittel der Studierenden (n = 787) nicht täglich Obst essen (67,1 %) und mehr als die Hälfte nicht täglich Gemüse (60,6 %). Mehr als drei Viertel der Studierenden (77,4 %) verzehren nicht täglich Vollkornprodukte. Studierende kommen somit in wesentlichen Aspekten den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für eine pflanzenbasierte Ernährung nicht nach. (3)
Andererseits zeigen Untersuchungen wie Politicized Eater: Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung aus 2021, dass 90 Prozent der jungen Erwachsenen (15-29 Jahre, n = 1479) sich für Lebensmittel und Ernährung interessieren (4).
Informationsquellen über Ernährung
Informationen über Ernährungsthemen und Lebensmittel scheinen folglich durchaus Beachtung bei jungen Erwachsenen zu finden. Allerdings stellt sich die Frage, weshalb sich dieses große Interesse nicht in einem ausgeprägteren Ernährungswissen und Kompetenzen in diesem Bereich widerspiegelt. Um dies zu verstehen, könnte relevant sein, wo und mit welchen Ernährungsinformationen junge Erwachsene im Alltag in Kontakt kommen.
Das Citizen-Science-Projekt „Food Facts – Gemeinsam zum Durchblick“ (5) hat 2025 untersucht, in welchen Kontexten junge Erwachsene Ernährungsinformationen begegnen (17-26 Jahre, n = 119). Besonders häufig waren das die sozialen Medien und das soziale Umfeld. In den sozialen Medien handelte es sich jedoch nicht um gezielte Suchen nach speziellen Ernährungsthemen, sondern eher einem zufälligen und beiläufigen Kontakt mit neuen Rezeptideen, aktuellen Trends oder Produktempfehlungen. (5)
Dies bestätigt auch die inhaltsanalytische Untersuchung „Ernährung auf TikTok“ (6), in welcher TikTok-Videos mit Ernährungsinhalten im Hinblick darauf analysiert wurden, welche Kommunikatoren zu welchen Themen posten. Thematisch standen Rezept- und Kochvideos sowie Ernährungstipps im Vordergrund, welche überwiegend von fachlichen Laien kommuniziert wurden. (6)
Junge Erwachsene werden in ihrem Alltag laut diesen Untersuchungen also stetig, aber eher beiläufig mit Ernährungsthemen konfrontiert, die meistens nicht von Ernährungsexpertinnen oder -experten aufgearbeitet wurden. Eine tiefergehende und kritische Auseinandersetzung mit den Themen kann in diesem zufälligen Rahmen jedoch nicht stattfinden.
Hier setzt #easyfoodbw an und bietet jungen Erwachsenen Raum, über die vielen Aspekte einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Ernährung zu diskutieren, mit wissenschaftlich basierten Fakten zu argumentieren und so das eigene Verhalten zu reflektieren.
Das Konzept #easyfoodbw
#easyfoodbw ist ein außerschulisches Ernährungsbildungsangebot für junge Erwachsene und wurde in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Landwirtschaftsämtern in Baden-Württemberg, der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn und dem Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg (LErn BW) entwickelt. Die Zielgruppe wurde wie folgt definiert:
- 18-24 Jahre alt
- in einer Lebensphase des Umbruchs durch Beginn einer Ausbildung oder Studium
- eher geringes Einkommen, daher preissensitiv aber dennoch markenaffin
- Verhaltensprägung durch Peer-Group, das Elternhaus und digitale Medien
- schnelles, spontanes und flexibles Essverhalten
Um die Zielgruppe noch genauer zu präzisieren, wurden mithilfe der Persona-Analyse für die Zielgruppe „junge Erwachsene“ drei fiktive Persona-Profile entwickelt.
Das Konzept ist so gestaltet, dass es den sehr unterschiedlichen Stereotypen, die sich in Bezug auf Vorwissen, Interesse an Ernährungsthemen und Werte stark unterscheiden, gleichermaßen Raum gibt. Dadurch wird die Vielfalt der Zielgruppe abgebildet.
Umfangreich ausgearbeitete Veranstaltungskonzepte
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren können mithilfe des Konzeptes junge Erwachsene auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten, verantwortungs- und genussvollen Essalltag zielgruppengerecht unterstützen. #easyfoodbw beinhaltet einen Leitfaden und umfangreiche Begleitmaterialien wie Rezepte, Ablaufpläne und Hintergrundwissen, wodurch für die Durchführung kein umfangreiches Vorwissen erforderlich ist. Eine detaillierte Material- und Einkaufsliste erleichtert die Vorbereitung.
Das Konzept bietet drei lebensweltorientierte Veranstaltungskonzepte zu den drei Hauptmahlzeiten (Frühstück, Mittagessen und, Abendessen: #coffeebreak, #lunchbreak und #dinnerwithfriends). Die Handlungspraxis steht im Vordergrund, allerdings ist keine komplette Küche für die Zubereitung der Speisen notwendig.
Jedes Event beinhaltet interaktive Impulse zu einem Ernährungsthema:
- #coffeebreak: Powerful breakfast – Was braucht es wirklich?
- #lunchbreak: High Protein, Organic, Gluten free – Tops & Flops bei Ernährungstrends
- #dinnerwithfriends: Sustainable Food – Wie geht das?
Die Events sind so ausgelegt, dass sie auch nacheinander alle mit derselben Gruppe durchgeführt werden können. So kann nachhaltig Ernährungswissen vermittelt werden und ein Vertrauensverhältnis untereinander entstehen.
Die Dauer der Veranstaltungen beträgt zwischen 60-120 Minuten. #coffeebreak und #lunchbreak sind für die Durchführung in Präsenz, idealerweise in der Frühstücks- und Mittagspause konzipiert. Bei #dinnerwithfriends dagegen treffen sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer live online und jeder kocht in seiner eigenen Küche sein Abendessen.
Es stehen 12 gesundheitsfördernde, nachhaltige und schnell zuzubereitende Rezepte zur Auswahl, angepasst an die Interessen der jungen Zielgruppe. Es werden möglichst keine exotischen oder ausgefallenen Zutaten verwendet. Einerseits um die Hürden zur Umsetzung gering zu halten und andererseits, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Aus demselben Grund werden auch möglichst gängige Verpackungsgrößen von Lebensmitteln komplett für Rezepte eingeplant, sodass keine kleinen Reste übrigbleiben.
Subjektorientierung
Die jungen Erwachsenen stehen durch den subjektorientierten Ansatz als Expertinnen und Experten im Mittelpunkt. Es soll eine lockere Atmosphäre entstehen, in welcher gemeinsam gegessen und sich über gesundheitsförderliche und nachhaltige Ernährung ausgetauscht werden kann. Belehrung und erhobener Zeigefinger sind hier fehl am Platz. Vielmehr sollen junge Erwachsene von ihren Erfahrungen berichten können, belastbare Fakten zu dem jeweiligen Ernährungsthema vermittelt bekommen und durch diese neuen Impulse befähigt werden, ihr Essverhalten zu reflektieren.
Durch offene Meinungsumfragen werden die Gewohnheiten und Gedanken der jungen Menschen herausgestellt. Alle Äußerungen und Meinungen werden respektiert und ernst genommen, keine Ernährungskultur oder -weise wird hervorgehoben. Auch gibt es keine öffentliche Korrektur oder Berichtigung der geäußerten Meinungen. Vielmehr sollen Rückfragen Anreize zum Reflektieren setzen.
#easyfoodbw ist für die Lebenswelt der jungen Erwachsenen konzipiert worden. Veranstaltungsorte können sein, wo immer sie zusammenkommen und idealerweise auch gemeinsam essen können. Dazu gehören Berufsschulen, Betriebe, Hochschulen, Universitäten, Jugendhäuser und Vereine. Weitere Informationen zu #easyfoodbw finden Sie auf der Website des LErn BW: easyfoodbw – außerschulische Ernährungsbildung für junge Erwachsene – LErn BW
Quellen:
- Kolpatzik, K., Zaunbrecher, R. (2020): Ernährungskompetenz in Deutschland. AOK-Bundesverband, Berlin: KomPart, Verfügbar unter: https://www.aok.de/pp/fileadmin/bereiche/unternehmenskommunikation/Agenda/Gesundheitskompetenz/aok-studie-ernaehrungskompetenz-2020.pdf
- Khachtryan, K., Flockerzi, L., Heuer, T., Krems, C., Storcksdieck, S. (2025): Ergebnisbericht Online-Befragung nemo Erwachsene. Max Rubner-Institut (MRI) Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, DOI: 10.25826/20250626-174711-0
- Helmchen, R. M., Sendatzki, S., Rathmann, & K. Dadaczynski, K. (2024): Gesundheit von Studierenden der Hochschule Fulda. Ergebnisse de HFD-Gesundheitssurveys 2023. Hochschule Fulda. Verfügbar unter: https://www.hs-fulda.de/fileadmin/user_upload/FB_Pflege_und_Gesundheit/Gesundheit_MoGuS/2023-_Gesundheit_von_Studierenden_an_der_Hochschule_Fulda.pdf
- Zühlsdorf, A., Jürkenbeck, K., Schulze, M., Spiller, A. (2021): Politicized Eater: Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung, Göttingen 2021. Verfügbar unter: https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/ecc93c87045b061c7e7f61ff5f5f206f.pdf/Jugendreport%20zur%20Zukunft%20nachhaltiger%20Ern%C3%A4hrung.pdf
- Marquardt, J., Langer, F., Ufert, M., Grauel, J. (2025): Junge Erwachsene mit Ernährung erreichen. Verbraucherzentrale NRW e.V. ISSN 1886-6590. Verfügbar unter: https://www.verbraucherzentrale.nrw/knackpunkt
- Altendorfer, L., Huber, B. (2024): Ernährung auf TikTok. Eine inhaltsanalytische Untersuchung zu Vielfalt, Ernährungskompetenz-Dimensionen und Werbung. Medien & Koomunikationswissenschaft 1/2024. DOI: 10.5771/1615-634X-2024-1-49