In Balance bleiben – Wenn die Darmmikrobiota altert

In Balance bleiben – Wenn die Darmmikrobiota altert

Bereits mit Anfang 30 beginnt unser Körper zu altern. Neben der Alterung unserer Haut, Knochen und Organe verändert sich mit zunehmendem Alter auch unsere Darmmikrobiota. Diese erfüllt wichtige Aufgaben wie z. B. Nahrungsverwertung, Wechselwirkung mit dem Immunsystem, Aufrechterhaltung der Darmbarriere und der Balance zwischen pro- und antiinflammatorischen Prozessen. Die stärksten Veränderungen der Mikrobiota finden neben dem frühen Kindesalter im hohen Alter statt – jene Lebensabschnitte, in denen auch unser Immunsystem am schwächsten ist.

Bei älteren Menschen kann die Diversität von Mikroorgansimen, die eine Immuntoleranz aufrechterhalten, wie beispielsweise Bacteroides, Bifidobakterien und Lactobazillen, reduziert sein. Im Gegensatz dazu kommen ggf. vermehrt opportunistische Bakterien vor, die intestinale Entzündungen hervorrufen (Enterobakterien, Clostridium perfringens und C. difficile). So kann es zum sogenannten „inflammaging“ kommen, einhergehend mit erhöhten Serum-Werten von Entzündungsmarkern wie Interleukin-6 und dem C-reaktiven Protein (CRP). (1)

Darüber hinaus nimmt die Diversität der Mikrobiota im Alter insgesamt ab. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: der Verlust von Zähnen, eine verringerte Speichelproduktion, ein geschwächtes Immunsystem, chronische Entzündungen, häufiger Medikamentengebrauch, eine verringerte Ballaststoff- und Flüssigkeitsaufnahme, generelle Unterernährung sowie Veränderungen im Wohnraum. So weisen ältere Menschen, die in einem Seniorenheim leben, eine niedrigere Diversität auf als jene, die im hohen Alter in ihrem eigenen Zuhause wohnen. (2)

Interessanterweise beobachtete ein Forscherteam bei Menschen im Alter um die 100 Jahre, dass diese Gruppe im Gegensatz zu jüngeren Senior*innen eine Mikrobiota aufweist, in der gesundheitsassoziierte Bakteriengattungen wie Bifidobacterium oder Akkermansia gehäuft vorkommen. (3)

In Balance bleiben

Wie lässt sich eine Dysbiose, die sich ungünstig auf die Darmmikrobiota auswirkt, verhindern? Es gilt, die Faktoren zu vermeiden, die sich negativ auswirken. Eine wichtige Rolle spielt hierbei der individuelle Lebensstil: wer nicht raucht, keinen Alkohol oder nur in geringen Mengen trinkt, wenig gestresst ist, ausreichend schläft und gute soziale Kontakte pflegt, führt einen gesunden Lebensstil. Auch die körperliche Aktivität ist wichtig für das eigene Wohlbefinden und Fitness. Bewegung regt außerdem die Darmtätigkeit an, denn ein träger Darm fördert eine Dysbiose im Alter. Und zu guter Letzt ist auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Eine ballaststoffreiche Ernährung sowie ausreichendes Trinken unterstützen die Darmtätigkeit und beugen Verstopfung vor.

Generell kann der Konsum von Probiotika helfen, eine gestörte Darmmikrobiota wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Verschiedenste Studien unterstreichen die Effektivität von probiotischen Lebensmitteln z. B. zur Verbesserung von Stuhlgangsproblemen in Pflegeeinrichtungen. (4) Außerdem sind Probiotika im Vergleich zu Medikamenten oft relativ günstig. (5)

Aktuelle Forschung

In einer aktuellen Studie von Amamoto et al. (2021) wurden die jährlichen Schwankungen der individuellen Darmmikrobiota bei 218 japanischen Proband*innen im Alter zwischen 66 und 91 Jahren untersucht. Hintergrund der Studie war den Zusammenhang von Veränderungen der Mikrobiota und dem Auftreten oder der Verschlimmerung von Krankheiten zu erforschen. Die Aufnahmehäufigkeit von fermentierten Milchprodukten mit Lacticaseibacillus paracasei Shirota (LcS) wurde als möglicher Einflussfaktor hinzugezogen. Für die Analyse der Darmmikrobiota wurden die Jensen-Shannon-Distanz (JSD)-Metriken eingesetzt. In diesem Fall bedeuten höhere JSD-Werte eine heterogenere Zusammensetzung der Darmmikrobiota. Im Ergebnis zeigten Proband*innen, die an ≥3 Tagen pro Woche in den letzten 10 Jahren LcS-Produkte konsumierten, statistisch niedrigere, intraindividuelle JSD-Werte als jenen, die dies ≤3 Tagen taten (p = 0,045). Erhebliche Veränderungen der Darmmikrobiota erfuhren 11,3 % der Proband*innen aus der Gruppe, die an ≤3 Tagen LcS Produkte aufnahmen. Dies traf dagegen auf nur 1,7 % in der Gruppe der LcS-Einnahme ≥3 Tage/Woche zu (p = 0,029). Die Autor*innen schlussfolgerten, dass die regelmäßige Einnahme von Probiotika helfen kann, die Darmmikrobiota zu stabilisieren. (6)

Im Alter nimmt aber nicht nur die Diversität sondern auch die metabolische Kapazität der Darmbakterien ab: Es werden weniger kurzkettige Fettsäuren (short chain fatty acids = SCFA) wie Butyrat, Propionat und Acetat gebildet, die signifikant zur Darmgesundheit beitragen. Butyrat dient als Energiequelle für das Darmepithel (Enterozyten) und soll eine protektive Rolle bei Dickdarmkrebs spielen. Eine Abnahme von SCFA beeinträchtigt die Integrität der Darmbarriere. Geringe Ballaststoff-Aufnahme und vermehrte Antibiotika-Behandlung im Alter korrelierten mit verringerter SCFA-Produktion. Hier bietet sich die Möglichkeit, mit Prebiotika, komplexen unverdaulichen Kohlenhydraten wie z. B. Inulin oder resistenter Stärke, in Kombination mit Probiotika die SCFA-Produktion zu aktivieren und generell eine gesunde Darmmikrobiota aufrechtzuerhalten. (1)

 

Wenn Sie mehr über den Zusammenhang zwischen Sport und Darmgesundheit erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen das Interview „Alles für den Darm – Sport in den Alltag integrieren“ mit Dr. Claudia Osterkamp-Baerens, promovierte Oecotrophologin.

Quellen

  1. Nagpal et al.(2018): Gut microbiome and aging: physiological and mechanistic insights. Nutr Healthy Aging 4(4):267-285. DOI: 3233/NHA-170030
  2. Claesson et al. (2012): Gut microbiota composition correlates with diet and health in the elderly. Nature 488(7410):178-84. DOI: 10.1038/nature11319
  3. Biagi et al. (2016): Gut Microbiota and Extreme Longevity. Current Biology 26 (11): 1480–1485. http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2016.04.016
  4. Van den Nieuwboer et al. (2015): Improving the bowel habits of elderly residents in a nursing home using probiotic fermented milk. Benef Microbes 6(4): 397-403. doi: 10.3920/BM2014.0113.
  5. Flach et al. (2018): Economic potential of probiotic supplementation in institutionalized elderly with chronic constipation. Pharma Nutrition 6 (4): 198-206.
  6. Amamoto et al. (2021): Yearly changes in the composition of gut microbiota in the elderly, and the effect of lactobacilli intake on these changes. Sci Rep 11, 12765 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-91917-6

Auf der Website Yakult – Science for Health erfahren Sie alles rund um die Wissenschaft zu den Themen Darmgesundheit und Probiotika sowie zu unserem Bakterienstamm L. casei Shirota vor. Wir bieten Ihnen Materialien für die Fachkraft mit Broschüren und Informationen zum Download.

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Verfasser*in: Dr. Sonja Heinritz

Dr. Sonja Heinritz ist Managerin Science Communication bei der Yakult Deutschland GmbH. Sie erreichen Frau Dr. Heinritz unter wissenschaft@yakult.de oder unter der Telefonnr. +49 (0) 2131 3416-28